Johann Schön

Kindheit

Johann Schön wurde am 22. Juni 1771 auf der Salzburg, die einige Kilometer östlich von Bad Neustadt an der Saale liegt, als viertes Kind des selbständigen Bauern Johann Schön und seiner Frau Elisabeth geboren. Der junge Johann besuchte die Volksschule im nahen Dorf Salz und wechselte 1782 in die zweiklassige Lateinschule in Neustadt. Im Herbst 1784 trat er in das vom Augustinerorden geleitete Gymnasium Münnerstadt ein. Mit großem Erfolg durchlief er die fünf Klassen: In dem damaligen Schülerkatalog wird er als "pius maximaeque spei", als frommer Schüler, der zu größten Hoffnungen Anlaß gibt, und als "ob morum suavitatem pietatemque insigniter laudandus", als ein Schüler, der wegen seines angenehmen Charakters und seiner Frömmigkeit vorzügliches Lob verdient, bezeichnet.
 

Studium

Am 24. September 1789 verließ er als bester der zwölf Schüler das Gymnasium und immatrikulierte sich einige Wochen später an der Würzburger Universität, um zunächst an dem damals vorgeschriebenen zweijährigen philosophischen Kurs teilzunehmen, der "die Mittelperiode zwischen der strengen Disziplin des Gymnasiums und der akademischen Freiheit" bildete. Der Philosophieunterricht sollte außerdem den Gymnasialunterricht vollenden und zugleich Propädeutik des akademischen Studiums sein. Der Lehrstoff im Fach Philosophie orientierte sich an den Auffassungen Kants, der als Philosoph der Aufklärung forderte, der Mensch müsse seine selbst verschuldete Unmündigkeit ablegen und sich seines Verstandes bedienen. Damit galt die Universität Würzburg als eine der fortschrittlichsten unter den katholischen Universitäten der damaligen Zeit. Schön war ein eifriger Student, und so wurde er am Ende des zweiten Jahres "nach vorhergegangener öffentlicher Disputation aus der gesammten Philosophie, Physik und Mathematik" zum Doktor der Philosophie ernannt.
 

Der Zwanzigjährige begeisterte sich vor allem für Philosophie, Mathematik, Astronomie, theoretische und experimentelle Physik und romanische Sprachen. Trotzdem begann er zunächst mit dem Studium der Theologie, vielleicht weil zur damaligen Zeit alle Professoren der philosophischen Fakultät dem geistlichen Stand angehören mußten und er so eine eventuell angestrebte Lehrtätigkeit an der Universität nur als Mann der Kirche aufnehmen konnte. Doch seine Vorlieben verfolgte Schön auch nach seinem Eintritt in das fürstbischöfliche Klerikalseminar im Dezember 1792 neben dem Theologiestudium weiter. So betätigte er sich im Studienjahr 1794/95 als Repetitor der Philosophie und Mathematik für die Theologiekandidaten. Nach seiner Weihe zum Priester im September 1795 durch Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach wurde Schön der Posten des Hausgeistlichen des Klerikalseminars übertragen.

Die Zeit von Februar 1796 bis September 1797 verbrachte er als Kaplan in Arnstein, "eine sehr leicht zu versehende und recht einträgliche Stellung", die es ihm ermöglichte, "jede freie Stunde der Mathematik und der Philosophie zu weihen".
 

Professor der Philosophie

Die unvermutete Ernennung zum öffentlichen ordentlichen Professor der Philosophie, die "in Ansehung seiner angerühmten Kenntnisse in den philosophischen Wissenschaften und anderer guten Eigenschaften" erfolgte, ließ ihn mit Freude nach Würzburg zurückkehren, wo er den philosophischen Kurs, der seit Oktober 1794 zum Würzburger Gymnasium gehörte, übernahm und seine Schüler mit den Grundlagen der Philosophie vertraut machte. Schön versah sein Amt zwar zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, bewarb sich jedoch, da er seine Lehrstelle für die "beschwerlichste" hielt, "zugleich mit den meisten Verdrüßlichkeiten verbunden", um eine Mathematikprofessur an der Universität. Als ihm aber 1802 die freigewordene Stelle in der Experimentalphysik angeboten wurde, lehnte er ab, da er sich mit der Physik längst nicht so ausgiebig wie mit der Mathematik beschäftigt hatte und die damals durchaus übliche Praxis, ein Fach auf einen nicht eigens dazu qualifizierten Lehrer zu übertragen, nicht befürwortete.
 

Außerordentlicher Professor der Mathematik

Doch kurz darauf trat der Mathematiker Franz Trentel, ehemals Schöns Lehrer, in den Ruhestand. Fürstbischof Fechenbach berücksichtigte nun Schöns Antrag und ernannte ihn im September 1802 zum außerordentlichen Professor der Mathematik "zur Bezeigung Höchstseiner besonderen Zufriedenheit mit seinem bisher bezeigten Fleiß und Eifer, ohne ihm jedoch die Anwartschaft auf die ordentliche Professur vorerst zu sichern." Da Schön für seinen Lebensunterhalt mit dieser außerplanmäßigen Stelle nicht aufkommen konnte, mußte er seine Tätigkeit als Philosophieprofessor weiter beibehalten. Er wurde im November 1802 Mitglied des akademischen Senats, nachdem er sein "punctum professorale" durch den mathematikgeschichtlichen Vortrag "De desideratis in Mathesi aevo nostro expletis" erfüllt hatte.
 

Entlassung

Aber die politischen Veränderungen in Würzburg bereiteten Schöns akademischer Lehrtätigkeit ein baldiges Ende: Die Organisationsakte von 1803 brachte für ihn die Entlassung. Da die neue kurfürstliche Regierung auch das Gymnasium umfassend reformierte und den Philosophiekurs wieder der Universität zuwies, war Schön plötzlich ohne jede Anstellung. Die Gründe für seine Verabschiedung sind unklar. Schön hatte "in zwei tüchtigen kritischen Abhandlungen die Grundlagen der Mathematik geprüft, ... zwei zweckmäßige große Lehrbücher - eines der Ziffernrechnung und eines der Trigonometrie - unter der Presse. Sein Lehrbuch der Psychologie war weit verbreitet. So konnte man dem jungen Professor kaum Bedeutungslosigkeit oder Unfähigkeit vorwerfen. Sein Lern- und Lehreifer wurde lobend anerkannt, persönliche Feinde hatte er nicht.

Hier mögen wohl die privaten Interessen des Kurfürsten Max Joseph eine Rolle gespielt haben, der ein Versprechen auf baldige Wiederanstellung in Bayern, das er seinem ehemaligen Hofastronomen, dem zur Zeit stellungslosen Physiker und Mathematiker Johann Nepomuk Fischer, gegeben hatte, einlösen wollte. So war Schöns Hoffnung, sich ganz der Mathematik widmen zu können, vorerst zunichte gemacht. Schön schlug vor, die mathematische Sektion zu teilen, Fischer den Lehrstuhl für höhere Mathematik und Astronomie und ihm den für niedere und angewandte Mathematik zuzuweisen. Die Notwendigkeit dieser Teilung sah man zwar ein, doch wurde der damals bedeutende Jenaer Mathematikprofessor Konrad Stahl den anderen Bewerbern vorgezogen. Schön hingegen mußte sich ab Herbst 1804 mit einer Stelle als Mathematik- und Physiklehrer am Gymnasium zufriedengeben, die er leichten Herzens der Unterbringung in einer Pfarrei vorzog. Doch die neue Einrichtung des Privatdozententums nutzte Schön, um weiter als Privatlehrer für Mathematik tätig zu sein.

Nach dem Regierungswechsel im Februar 1806 wurde der zweijährige Philosophiekurs probeweise am Gymnasium wieder eingeführt und Schön zum Lehrer der Oberklasse ernannt. Schöns mehrmalige Bewerbungen um einen Lehrstuhl für Mathematik nach dem Tod Fischers 1805 und nach der Berufung Stahls an die Universität Landshut 1806 hatten keinen Erfolg. Die großherzogliche Regierung war zum Sparen gezwungen: Durch Schöns Berufung zum Professor hätte man einen neuen Mathematiklehrer fürs Gymnasium benötigt. So blieben die Lehrstühle bis 1809 unbesetzt. Johann Schön hielt jedoch ab dem Wintersemester 1806/7 als Privatdozent Vorlesungen.
 

Ordentliche Professur für Mathematik

Durch die neue Organisationsakte des Großherzogs vom September 1809, die eine Rekatholisierung der Universität und die Zwangspensionierung protestantischer Professoren mit sich brachte, kam für Schön die ersehnte Veränderung: Er stieg zum öffentlichen ordentlichen Professor der Mathematik auf. Endlich hatte er sein Ziel erreicht und konnte sich mit Eifer der Forschung und Lehre widmen. Er hielt Vorlesungen über die niedere und höhere Mathematik und ihre Anwendungen, über Feldmeßkunst und mathematische Geographie, ab und zu auch über theoretische Mechanik und Optik. "Schön legte stets besonderes Gewicht auf die Darlegung des Zusammenhangs seiner Fachwissenschaft mit den allgemeinen geistigen Gesichtspunkten und Belangen, dem leidigen Überspezialistentum war er abhold." Da nach der neuen Hochschulverfassung die Vorlesungen nur nach von der Studienkuratel genehmigten, gedruckten Lehrbüchern abgehalten werden durften, verfaßte Schön nach und nach eigene Lehrbücher zu den einzelnen Themengebieten. Mit seinen Veröffentlichungen lag Schön vor allem daran, jedem Lernwilligen eine Anleitung zum Studium zu bieten. Um die Kosten der Bücher möglichst gering zu halten und damit eine weite Verbreitung zu erreichen, verzichtete er für seine kleineren Schriften auf persönlichen Gewinn.

Viele Jahre gehörte Schön dem Senat und dem Verwaltungsausschuß der Universität an und übte das Amt des Dekans der philosophischen Fakultät aus. Von 1808 bis 1816 unterrichtete er zusätzlich "uneigennützig und mit vielem Eifer" Fortbildungsschüler und junge Handwerker in den vier mathematischen Schulen der 1806 begründeten Gesellschaft zur Förderung und Vervollkommnung der mechanischen Künste und Gewerbe (später der Polytechnische Zentralverein) in Rechnen, Geometrie, Mechanik, Statik und Baukunst.

Mit der Zeit gab Schön jedoch diese Lehrtätigkeit auf, da er sich nun vermehrt für Himmels- und Witterungskunde interessierte und neue Pläne und Arbeiten auf diesem Gebiet in Angriff nahm. So hielt er Astronomievorlesungen und setzte sich für eine Wiederherstellung der Sternwarte auf dem Turm der Neubaukirche ein, die in den Jahren der ständigen Regierungswechsel schwer vernachlässigt worden und schließlich völlig verfallen war.

Ab Mai 1819 wurde ihm ehrenamtlich die Leitung der Sternwarte übertragen, und er konnte sie zumindest soweit in Stand setzen, daß einzelne Beobachtungen, z.B. zur genauen Bestimmung der geographischen Länge Würzburgs, möglich wurden und die Studenten sich auch praktisch mit den astronomischen Methoden vertraut machen konnten. Geld für neue Instrumente, wie etwa ein Fraunhofersches Fernrohr, erhielt er jedoch erst zwölf Jahre später bewilligt.
 

Wetterbeobachtungen

Etwa ab dem Jahr 1811 begann Johann Schön sich zunehmend mit der Witterungskunde zu beschäftigen. Er stellte ausführliche meteorologische Untersuchungen zu Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und -stärke, Niederschlägen und der Häufigkeit von Unwettern an und hielt jährlich den Beginn der Blüte- und Erntezeit bestimmter Pflanzen fest. Von 1818 an bis zu seinem Tod zeichnete er 26 Jahre lang lückenlos seine Beobachtungen auf. Wenn auch manche Messungen, so z.B. der Luftfeuchtigkeit und der Niederschlagshöhe, recht ungenau ausfielen, bilden diese Aufzeichnungen eine wichtige Informationsquelle für das Klima von Würzburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts, da erst 1880 eine staatliche Wetterwarte eröffnet wurde. Schön bemühte sich außerdem, seine Erfahrungen theoretisch zu begründen, und kann so als Förderer der jungen Wissenschaft der Meteorologie gelten. Auf den Ergebnissen seiner Untersuchungen aufbauend, gab er den Landwirten und Winzern Hinweise zum Getreide- und Weinbau.
 

Tod

Als sich ab dem Jahr 1835 Schöns Gesundheitszustand verschlechterte und ihm der Aufstieg zur Sternwarte immer beschwerlicher wurde, entlastete ihn der Gymnasialprofessor und Privatdozent der Mathematik, Dr. Josef Michael Stern. Nach seiner Verabschiedung am 25. März 1837 übergab Schön die Leitung der Sternwarte seinem Nachfolger Alois Mayr. Der inzwischen 68jährige Schön fühlte sich zwar noch rüstig genug, um sein Lehramt weiter auszuüben, doch war die eher unfreiwillige Versetzung in den Ruhestand wohl dringend nötig. Nach einem leichten Schlaganfall bereits wieder auf dem Wege der Besserung, starb Schön durch einen erneuten Anfall am Abend des 18. April 1839. Viele Bürger trauerten um den sehr beliebten und vor allem durch seine stern- und wetterkundlichen Forschungen allseits bekannt gewordenen Mann.
 

Werke

Johann Schön konnte eine reiche schriftstellerische Tätigkeit vorweisen: 32 Schriften von ihm erschienen in Buchform, 95 in Zeitschriften. Seine Werke lassen sich in drei Gruppen einteilen:
  • In der Zeit seiner Philosophieprofessur verfaßte er Arbeiten zur Psychologie,
  • bis 1818 dann den Großteil seiner mathematischen Lehrbücher,
  • später astronomische Schriften und Auswertungen seiner meteorologischen und klimatologischen Untersuchungen.
In seinen philosophischen Werken vertritt Schön die Anschauungen von Leibniz und Wolff, der Einfluß Kants mit seinem aufklärerischen Gedankengut ist deutlich.

Unter den siebzehn von ihm veröffentlichten Mathematikbüchern finden sich allein zehn Lehrbücher, eines davon ausschließlich über höhere Mathematik. "Sie erfreuten sich wegen ihrer gründlichen und klaren Art zur damaligen Zeit für Vorlesung wie zum Selbststudium großer Beliebtheit und Verbreitung." Schön bemühte sich, in seinen Schriften die Grundlagen der Mathematik darzulegen, zu überprüfen und darauf aufbauende Erkenntnisse zu vermitteln.1805 gab er ein Lehrbuch über "Die Ziffernrechnung oder Rechenkunst" heraus, das er 1815 noch einmal gründlich überarbeitete. Noch im gleichen Jahr verfaßte er ein "Lehrbuch der ebenen und sphärischen Trigonometrie". Ein Begleitbuch zu einer von Schöns Mathematikvorlesungen mit dem Titel "Die Buchstabenrechnung und niedere Algebra" erschien 1806. Auch dieses legte Schön 1825 in deutlich erweiterter Form zum zweiten Mal auf. Es folgten ein "Lehrbuch der reinen niedern Geometrie in Verbindung mit der Anleitung zur Feldmeßkunst" im Jahre 1808, eine Abhandlung über die Bedeutung von Kettenbrüchen "Fractionum continuarum theoria et usus" 1810, ein "Kurzer und faßlicher Unterricht in der Rechenkunst, Geometrie, praktischen Mechanik und Statik und bürgerlichen Baukunst" 1812, "Einige Aufgaben über Schuldentilgung, mit ihren Auflösungen" 1818. In einer Schrift aus dem Jahre 1821 beschäftigte sich Schön mit der "Erörterung einiger Hauptmomente in der Lehre von dem geometrischen Verhältnisse im Sinne Euklids und anderer Mathematiker". Sein mathematisches Abschlußwerk bildete ein "Kurzer Lehrbegriff der höheren Mathematik" aus dem Jahre 1833, in dem er ausführlich die wichtigsten Erkenntnisse der höheren Analysis und höheren Geometrie darstellte.

Auch der pädagogische Nutzen der Mathematik war Schön wichtig. So legte er in seiner Schrift "Prüfung der von Herrn Professor Wagner vorgeschlagenen Reform der Mathematik" aus dem Jahre 1804 sachlich und überzeugend die Arbeitsweise und das Wesen der Mathematik offen und wies so die Vorwürfe, die der Würzburger Philosophieprofessor Johann Jakob Wagner gegen die damals üblichen Lehrmethoden vorbrachte, zurück. In der Eröffnungsrede zu den Vorlesungen des Wintersemesters 1816/17 "Über den Nutzen des Mathematischen Studiums" pries Schön die Vorzüge, die ein junger Mensch von der Beschäftigung mit mathematischen Inhalten davontrage.

Von seinen astronomischen und den zahlreichen meteorologischen Schriften verdienen der "Grundriß der gesammten theoretischen Astronomie mit einem Anhang über den Kalender" von 1811, in dem er die astronomischen Kenntnisse seiner Zeit zusammenfaßte, seine 1818 erschienene "Witterungskunde in ihrer Grundlage" und das Buch "Über meteorologische Beobachtungen, Umfang, Zweck und Nutzen derselben" von 1827 Erwähnung.

Johann Schön war ein sehr vielseitig interessierter Mensch, der sich im Laufe seines Lebens mit verschiedenen Wissenschaften befaßte. Doch sein Hauptziel war die Beschäftigung mit der Mathematik. Zeit seines Lebens versuchte er als engagierter Lehrer und Lehrbuchautor, seinen Schülern und Studenten die Grundlagen dieser Wissenschaft zu vermitteln. Dabei war es für ihn wichtig, den jungen Menschen  - ganz im Sinne der Aufklärung - ihren Geist zu prägen und sie zu selbständigem wissenschaftlichen Denken zu führen.


Gabriele Ackermann
Stand: 6. 2. 2003