Emil Hilb

 

1882 Geboren am 26. April in Stuttgart
1899 Reifeprüfung in Augsburg
1899-1904 Studium in München, Berlin und Göttingen
1901 Erster Abschnitt der Lehramtsprüfung in München
1903 Zweiter Abschnitt der Lehramtsprüfung in München
1903 Promotion zum Dr. phil. an der Universität München
1904-1906 Assistent am Realgymnasium in Augsburg
1906-1908 Assistent am mathematischen Kabinett der Universität Erlangen
1908 Habilitation an der Universität Erlangen
1908-1909  Privatdozent Universität Erlangen
1909  a. o. Professor Universität Würzburg
1923 Titel und Rang eines o. Professors an der Universität Würzburg
1929  Akademische Rechte eines o. Professors an der Universität Würzburg
1929  Verstorben am 6. August in Würzburg
 


1. Berufung

Emil Hilb wurde mit Wirkung vom 1.10.1909 als außerordentlicher Professor für Mathematik an die Philosophische Fakultät der Universität Würzburg im ungewöhnlich jungen Alter von erst 27 Jahren berufen. Unter dem Eindruck seines Rufes schrieb er am 4. August an David Hilbert in Göttingen: "Soeben komme ich von Würzburg, wo ich die, mir fast märchenhaft klingende, Tatsache bestätigt erhielt, daß ich dort zum Professor ernannt wurde... Fast schäme ich mich aber meines Glückes, wenn ich an die Vielen denke, die durch ihre viel größeren Verdienste die Stelle weit eher verdient hätten; aber ich werde mich jetzt doppelt bemühen, um mich der Auszeichnung würdig zu machen."

Am 3. Juli 1909 war der außerordentliche Professor Dr. Eduard von Weber zum ordentlichen Professor befördert worden, nachdem durch die Emeritierung von Friedrich Prym ein Lehrstuhl freigeworden war. Nach nur einer Woche wurde der Senat der Universität Würzburg vom Ministerium aufgefordert, einen Vorschlag zur Wiederbesetzung der a.o. Professur zu unterbreiten. Bereits am 14. Juli 1909 wurde der Berufungsvorschlag vorgelegt. Es wurde an erster Stelle Ernst Zermelo, Göttingen, an zweiter Stelle Emil Hilb, Erlangen, und an dritter Stelle Gerhard Hessenberg, Poppelsdorf, vorgeschlagen. Über Hilb heißt es: "Er ist ein ganz vorzüglicher Forscher, scharf denkend, rasch auffassend, sowohl abstrakt als mit der Anschauung arbeitend, ideenreich... Bei seiner Jugend sind noch viele glänzende Leistungen von ihm zu erwarten. Er hat in Erlangen aus den verschiedensten Gebieten der Mathematik Übungen und Vorlesungen für Anfänger wie auch für reifere Studenten mit ausgezeichnetem Erfolg gehalten." 

Die in ihn gesetzten Erwartungen hat Hilb nicht enttäuscht. Seine modernen Vorlesungen zogen junge, begabte Studenten an, und er regte eine große Zahl von Dissertationen an. Seine wissenschaftlichen Arbeiten brachten wesentliche Fortschritte in der Analysis. Er verfaßte grundlegende Beiträge zur Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften und wurde Herausgeber einer Lehrbuchreihe, die bis heute besteht und richtungweisende Werke enthält. Hilb arbeitete über viele Jahre eng mit den damals bedeutendsten deutschen Mathematikern Felix Klein und David Hilbert in Göttingen zusammen. Diese fruchtbare Periode endete jäh mit seinem unerwarteten Tode im Jahre 1929.

2. Kindheit und Jugend

Emil Hilb wurde am 26. April 1882 in Stuttgart als Sohn des jüdischen Kaufmanns Adolf Hilb und seiner Frau Clara, geb. Ulrich, als jüngstes von vier Kindern geboren. 

Von 1890 an besuchte er das Eberhard-Ludwig-Gymnasium in Stuttgart bis zum Tode seines Vaters im Jahre 1894. Clara Hilb zog dann mit den Kindern nach Augsburg. Von 1894 bis 1899 besuchte Hilb dort das Realgymnasium. 

Mit 17 Jahren legte er als Jüngster seiner Klasse das Abitur ab. Voller Hochachtung äußerte er sich über den Mathematikunterricht des Schulleiters Dr. Georg Recknagel, der korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München war.
 

3. Studium

Emil Hilb begann sein Studium der Mathematik und Physik im Wintersemester 1899/1900 an der Universität und am Polytechnikum in München. Anschließend wechselte er für zwei Jahre an die Universität in Berlin, um sich eingehender mit der Funktionentheorie zu beschäftigen. Vom Wintersemester 1902/1903 an studierte er wieder in München. Ferdinand Lindemann stellte ihm als Thema für seine Staatsexamensarbeit: "Beiträge zur Theorie der Laméschen Funktionen". 

Diese Arbeit konnte er als Dissertation ausbauen. 1903 wurde er an der Universität München "summa cum laude" zum Dr. phil. promoviert. In den Jahren 1901 und 1903 hatte Hilb die beiden Abschnitte der Lehramtsprüfung für Mathematik und Physik mit "sehr gut" bestanden.
 

4. Vertiefung

Nach Abschluß seiner Promotion im Dezember 1903 ging er im Sommersemester 1904 zum Abschluß seiner Studien nach Göttingen. Die Begegnung mit Hilbert und Klein beeinflußte seine weitere wissenschaftliche Entwicklung entscheidend. Mit Hilberts Theorie der linearen Integralgleichungen gewann er ein Werkzeug, mit dem er in den folgenden Jahren viele interessante Ergebnisse erzielen sollte. Von Klein erhielt er später die Anregung zur Beschäftigung mit Oszillationstheoremen, zu deren Beweis er Hilberts Methoden verwenden konnte. Mit beiden entwickelte sich über viele Jahre ein angeregter Briefwechsel. Sie förderten ihn und freuten sich, in Hilb einen dynamischen jungen Mathematiker zu haben, der ihre Ideen fortführte. 

In seinem Lebenslauf (1907) schreibt Hilb: "Die Anregung, die ich damals und in späteren Jahren durch mündlichen und schriftlichen Verkehr durch Herrn Professor Hilbert und Herrn Professor Klein erhielt, war für meine nach der Doktordissertation veröffentlichten Arbeiten von größtem Einfluße." Seine Briefe an Hilbert von 1904 bis 1908 unterzeichnete er meist mit "Ihr stets dankbarer Schüler". In seinem Brief vom 4. August 1909, nachdem er den Ruf nach Würzburg erhalten hatte, schreibt er: "Denn Ihnen verdanke ich ja Alles; was ich weiß und kann, habe ich von Ihnen gelernt; die Tatsache, daß ich ihr Schüler bin, allein genügte schon, um mich so rasch zu einem noch in weiter Ferne geglaubten Ziele zu bringen." Betrachtet man das Werk Emil Hilbs, so hat sicher Hilbert den stärksten Einfluß auf ihn gehabt. Andererseits rechnet er sich wie Hilbert selbst zu Lindemanns Schülern.
 

5. Schuldienst

Nachdem Hilb aus Göttingen zurückgekehrt war, bewarb er sich um eine Stelle als Assistent am Realgymnasium in Augsburg. Vom 24. September 1904 an unterrichtete er dort bei einem Jahresgehalt von 1500 M. Im Schuljahr 1904/1905 war er Ordinarius der Quarta und hatte zu unterrichten: "Dezimalbrüche; die 4 Operationen mit denselben; Verwandlung gewöhnlicher Brüche in periodische Dezimalbrüche und umgekehrt; einfache und zusammengesetzte Schlußrechnungen, Zinsberechnung. Übungen im Kopfrechnen." 

Am 21. November 1904 schreibt er Hilbert, daß er dessen Methode der Integralgleichungen erfolgreich auf ein Problem der Potentialtheorie angewendet habe. Er fragt an, ob es sich lohne, die gefundenen Ergebnisse zusammenzustellen und zu publizieren. So erscheint 1906 seine erste Veröffentlichung in den Mathematischen Annalen. Er hat die Arbeit neben seinem Schuldienst selbständig verfaßt. Zwischen seiner Tätigkeit an der Schule und seiner wissenschaftlichen Arbeit liegen Welten. 
 

6. Assistent in Erlangen

Max Noether in Erlangen wird auf den jungen Mathematiker aufmerksam und lädt ihn ein, zu ihm nach Erlangen zu kommen. Im September 1906 wird Hilb zum Assistenten am mathematischen Kabinett der Universität Erlangen ernannt. 

Anläßlich des 70. Geburtstages von Paul Gordan kommt Felix Klein im April 1907 nach Erlangen und erzählt von seinen Untersuchungen zum Oszillationstheorem. In seiner letzten Veröffentlichung hatte Klein einige Behauptungen unbewiesen lassen müssen und ermunterte nun Hilb, sich um einen Beweis zu kümmern. Hilb ist erfolgreich.

Im November 1907 reicht er in Erlangen eine Arbeit "über Integraldarstellungen willkürlicher Funktionen" als Habilitationsschrift ein, in der er die von Hilbert entwickelte Theorie der quadratischen Formen benutzt. Gordan und Noether schreiben in ihrem Gutachten: "So enthält die Arbeit sehr bemerkenswerte Fortschritte in einem noch frischen Gebiete. In derselben hat der Verfasser diese für die ganze Funktionentheorie und auch für die mathematische Physik aussichtsreichen Entwickelungen mit großer Energie aufgegriffen, u. es zeigt sich, daß er zu ihrer Förderung alle funktionentheoretischen Mittel beherrscht und über große Schärfe verfügt." 

Im April 1908 wird Hilb zum Privatdozenten an der Philosophischen Fakultät der Universität Erlangen ernannt. Sein Jahresgehalt beträgt zu dieser Zeit 1.680 M. 

In Erlangen entstehen dann noch einige Arbeiten über lineare Differentialgleichungen und eine Arbeit über die Auflösung linearer Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten. Der Berufungsvorschlag von Würzburg nennt im Schriftenverzeichnis von Hilb acht Arbeiten. 

Das Ministerium in München entscheidet sich für den Privatdozenten Emil Hilb. Er erhält nun ein Jahresgehalt von 3.600 M.

7. Mathematische Interessen

Hilb hat sich vor allem mit vier Themenbereichen befaßt, die zu seiner Zeit großes Interesse fanden und von vielen Mathematikern bearbeitet wurden. Hilberts Theorie der Integralgleichungen hatte eine Methode zum Finden von Entwicklungssätzen gebracht. Über die Arbeiten von Hilb zu diesem Thema urteilt Haupt: "Mit in erster Linie war Hilb daran beteiligt, die Methode zu verfeinern und biegsam zu machen, indem er sie auf eine Anzahl verschiedenartiger Randwertaufgaben anwandte." Den Themenkreis der Oszillationstheoreme hat er durch eine Reihe schöner Ergebnisse bereichert. Klein würdigt ausführlich die Untersuchungen von Hilb und seinen Schülern. Einen gewissen Abschluß erreichte Hilb 1917 mit der Entdeckung, daß die gefundenen Oszillationstheoreme topologisch die einzig möglichen sind. Eine dritte Gruppe von Arbeiten benutzt die Theorie linearer Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten, um lineare Differentialgleichungen unendlich hoher Ordnung zu lösen. Dies führt ihn schließlich zu Beginn der zwanziger Jahre zu Differenzengleichungen. Die Theorie der Differenzengleichungen war im wesentlichen durch die Arbeiten von Niels Erik Nörlund entwickelt worden. Hilb hat sich intensiv mit dieser Theorie auseinandergesetzt und diese weiterentwickelt. 

Das Schriftenverzeichnis von Emil Hilb weist 44 Arbeiten auf. Darunter sind vier Beiträge zur Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften und ein Beitrag zu Pascals Repertorium. Sieben der Arbeiten sind in Zusammenarbeit mit anderen Kollegen entstanden.

8. Die Enzyklopädie

Häufig zitiert wurden Hilbs Beiträge zur Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften. Er wendete viel Energie für dieses Projekt auf. Bereits 1913 legte er seinen Beitrag über "Lineare Differentialgleichungen im komplexen Gebiet" vor; 1916 schloß er ein Heft über "Nichtlineare Differentialgleichungen" ab. Später folgten Beiträge zusammen mit Otto Szász (1923) und mit Marcel Riesz (1924). Für den Analysisband ist er Mitherausgeber.
 

9. Die Lehrbuchreihe

Seine Energie und seine organisatorische Begabung zeigte er auch bei der Gründung und Herausgabe seiner Lehrbuchsammlung "Mathematik und ihre Anwendungen in Physik und Technik" bei der Akademischen Verlagsgesellschaft Geest und Portig in Leipzig, die noch heute existiert. Er gewann bedeutende Autoren wie Otto Haupt, Gerhard Hessenberg, Erich Kamke und Heinrich Emil Timerding.
 

10. Hilb als Hochschullehrer

Hilb wird als rasch in der Auffassung, genau in der Formulierung, kritisch und sehr klar im Denken geschildert. Er konnte sich schnell in neue Gebiete einarbeiten, arbeitete sehr intensiv und erwartete dies auch von seinen Schülern. Wenn es bei ihnen zu lange dauerte, bis sie ein mathematisches Buch durchgearbeitet hatten, konnte er recht ungeduldig werden. 

Hilb hatte einen Blick für begabte Studenten. Fiel ihm jemand durch eine kluge Antwort oder eine interessante Frage auf, so verwickelte er ihn in fachliche Gespräche. Ältere Studenten lud er ein, die Staatsexamensarbeit bei ihm zu schreiben, aus der dann später eine Dissertation werden könnte. Nach seinen Vorlesungen zog er stets einen Schwarm interessierter Studenten auf dem Heimweg hinter sich her, mit denen er fachlich diskutierte. Sein erster Doktorand in Würzburg, Otto Haupt, berichtet, daß er täglich mit Hilb spazierenging und mathematische Probleme wälzte. 

Die von Hilb bearbeiteten Themen boten reichlich Möglichkeit, begabte Studenten an vielversprechende Probleme zu setzen. Alle seine Schüler heben den hohen persönlichen Einsatz, die geduldige Kritik und die Hilfsbereitschaft hervor. Haupt schreibt: "Für Hilb ... war es innerstes Bedürfnis, sich unter der Jugend nach wissenschaftlich Interessierten umzusehen und zu versuchen, sie in den Kreis seiner wissenschaftlichen Arbeit zu ziehen. Er scheute da keine Mühe, den Anfänger zu fördern. Da wurde auf dem Nachhauseweg die Vorlesung fortgesetzt oder sonst wissenschaftliche Unterhaltung geführt, da war er selbst ein Junger, ein guter Kamerad, vor dem man auch ruhig einmal eine Dummheit sagen durfte. Dabei hielt er aber mit seiner Kritik in keiner Weise zurück. Ich selbst weiß, wie förderlich dem Anfänger sein sarkastisches Urteil sein konnte." In der Fähigkeit, junge Menschen für Mathematik zu begeistern und begabte Studenten zu fördern, liegt sicher seine besondere Stärke. Schon das Berufungsgutachten äußert sich darüber: "Rühmend hervorzuheben ist auch, dass er in eingehendem persönlichem Verkehr mit den Schülern es versteht, diese zu wissenschaftlichen Arbeiten anzuregen."
 

11. Das Intermezzo als Gymnasiallehrer

Während des Krieges stieg Hilb sogar bereitwillig hinab in die Niederungen der Schule. Er erklärte sich bereit, neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität 23 Wochenstunden Mathematik zunächst in Fürth, später in Würzburg zu übernehmen. Im August 1917 wurde ihm deshalb das König Ludwig Kreuz für Kriegsverdienste in der Heimat verliehen. 

12. Die Erlanger Enttäuschung

Bereits mit 27 Jahren war Hilb außerordentlicher Professor geworden. Zehn Jahre später war er es immer noch. Das lag sicher an den Schwierigkeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit. Als 1919 in Erlangen die Nachfolge von Max Noether zu regeln war, hatte Hilb guten Grund, mit einer Berufung zum Ordinarius zu rechnen, zumal er in Noether einen Fürsprecher wußte. Es wurden Heinrich Tietze, Ernst Hellinger, Wilhelm Blaschke und Richard von Mises vorgeschlagen. Max Noether gab ein Sondervotum ab. Seine Reihung lautete: Hilb, Hartogs und Tietze, Blaschke und Hellinger, endlich v. Mises. Berufen wird Heinrich Tietze. 

Hilb ist tief enttäuscht. Er sucht im Ministerium um ein Gespräch nach; dabei erfährt er von Einwänden der Erlanger gegen ihn. In einem unerquicklichen Briefwechsel mit dem Minsterium bittet er, für das ihm zugefügte Unrecht "einen Ausgleich in materieller und ideeller Weise zu schaffen." 

Die Philosophische Fakultät in Würzburg sieht sich dann 1921 veranlaßt, "für Herrn Emil Hilb in Anerkennung seiner Verdienste als Forscher und Lehrer die Verleihung von Titel und Rang eines ordentlichen Professors zu beantragen". Das Ministerium lehnt zunächst ab, ein Jahr später erneuert die Fakultät den Antrag. Am 2. April 1923 werden dann Emil Hilb Titel und Rang eines ordentlichen Professors verliehen. Im Dezember 1928 beantragt die Philosophische Fakultät, ihm auch die akademischen Rechte eines ordentlichen Professors zu verleihen. Dies geschieht schließlich mit Erlaß vom 16. Januar 1929. 

13. Familienleben

  Hilb hatte am 18. Mai 1912 Marianne Wolff aus Stadtoldendorf geheiratet. Sie war die Tochter des jüdischen Textilfabrikanten Oskar Wolff und seiner Ehefrau Gertrud, geb. Ostwald. Ihre Eltern waren vermögend und hatten ihr eine gute Ausbildung ermöglicht. Sie war musikalisch, sprachbegabt und verstand es, eine kultivierte Atmosphäre im Hause zu schaffen. 

Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, 1914 wurde Irene und 1918 Anneliese Hilb geboren. Hilbs wohnten in der Seelbergstraße 5. Studenten, Kollegen und Freunde rühmten das gastfreie Haus. Sonntags waren häufig Studenten zum Mittagessen eingeladen. Bei geselligen Veranstaltungen waren ebenfalls häufig Studenten zugegen. Sie waren als Tänzer begehrt. Mit Ausnahme von Wagner hörte Hilb gern klassische Musik. Er freute sich am Klavierspiel seiner Frau, spielte selbst aber kein Instrument.

Einen musikliebenden Doktoranden enttäuschte er tief, als er verlangte: "Wenn Sie wissenschaftlich arbeiten wollen, müssen Sie Ihre Musik aufgeben!" Hilb interessierte sich auch für Literatur und Theater. Er engagierte sich in der "Gesellschaft für Literatur und Bühnenkunst" und förderte künstlerische Projekte. In seiner Freizeit unternahm er gern Wanderungen in die Umgebung. Seinen Urlaub verbrachte er häufig in den Schweizer Bergen. Auch seine mathematischen Unternehmungen verband er möglichst mit Wanderungen. 

14. Krankheit und Tod

Für Hilb waren die letzten Jahre seines Lebens von Krankheit überschattet. Er hatte ein Nierenleiden und starb schließlich am 6. August 1929 an einem Schlaganfall. Seine Beerdigung fand in aller Stille in Stuttgart statt. Er wurde auf dem jüdischen Teil des Prag-Friedhofs beigesetzt. 

Im Dezember 1929 hielt Otto Haupt in Würzburg eine Gedenkrede und verfaßte auch den Nachruf im Jahresbericht der Deutschen Mathematikervereinigung. Dort heißt es: "Allen, die den Verstorbenen gekannt haben, vielleicht auch nur flüchtig ihm begegnet waren, ist... als ein Wesentliches an ihm in Erinnerung: sein liebenswürdig-heiteres Temperament. Wie viel schwerer hätte das Leben sich für ihn wohl gestaltet, hätte dies sein Temperament ihm nicht immer wieder über manche Sorge hinweggeholfen, nicht zuletzt über die Vorahnung der ihm drohenden Krankheit, die ihn in seinen letzten Jahren mehr als einmal überkommen zu haben scheint. Und dieser Heiterkeit des Gemütes entsprach ein von Grund aus gütiges Wesen, das ihn - auch außerhalb der Familie - am Ergehen seiner Bekannten und Freunde stets den herzlichsten Anteil nehmen ließ. Wir wissen ja, wie er immer mit Rat und Tat bereit war, wie er Sorgen und Anliegen anderer zu seinen eigenen machte und nichts lieber tat, als anderen Freude bereiten. Wir alle wissen auch, welch schönes, inniges Familienleben Hilb führte, dem ein gütiges Geschick in der Gattin den verständnisvollsten Lebensgefährten geschenkt hatte." 

15. Das Schicksal seiner Angehörigen 

Nach dem Tode ihres Mannes blieb Marianne Hilb mit ihren Töchtern zunächst in der Seelbergstraße wohnen. Als die Verhältnisse immer schwieriger wurden, zog sie mit ihren Kindern 1937 in eine kleinere Wohnung und nahm ihre Mutter zu sich. 

Im Novemberpogrom 1938 wurde die Wohnung verwüstet. Marianne Hilb erstattete Anzeige wegen des Diebstahls von Wertsachen. Diese wurde aber niedergeschlagen. Anneliese Hilb konnte 1939 nach England auswandern. Marianne Hilb zog 1940 mit ihrer Mutter nach Frankfurt zu ihrer Tochter Irene. Der Briefwechsel zwischen Anneliese Hilb und ihrer Mutter lief eine Zeit lang über Richard Bär in der Schweiz. 1942 riß die Verbindung ab. Marianne Hilb und ihre Tochter Irene wurden nach Osten verschleppt und kehrten nicht mehr zurück.


Biographisches über Emil Hilb

Otto Haupt: Emil Hilb, Jahresbericht der Deutschen Mathematiker Vereinigung, 42, 1933, S. 183-198
Hans-Joachim Vollrath: Emil Hilb (1882-1929), In: P. Baumgart (Hrsg.), Lebensbilder bedeutender Würzburger Professoren, Neustadt/Aisch (Degener), 1995, S. 320-338 

Hans-Joachim Vollrath